Neben Tischtennis gibt es kaum eine Sportart, die so sehr von der Psyche der Spieler beeinflusst werden kann. Schnell können sich dadurch Spiele in die eine oder andere Richtung drehen, ohne dass es einen offensichtlichen Grund gibt.
Als erste Ursache für die starke mentale Komponente im Tischtennis ist die geringe Reaktionszeit zu nennen. Denn das Spielfeld, also die Tischtennisplatte, ist nur 2,74m lang.
Während die Aufschläge und Rückschläge mehr von der Konzentration abhängen, wenngleich hierbei eine gute Reaktion hilfreich ist, können im offenen Spiel Geschwindigkeiten an die 100 km/h erreicht werden.
Natürlich behaupten viele Laien, dass Tischtennis eher einer gemächlichen Runde Ping Pong im Garten gleicht. Doch die Beschleunigung, welche bei der Rückschlagsportart mit dem kleinen Ball möglich ist, ist schon erstaunlich.
Weiterhin müssen ständig Entscheidungen getroffen werden. Mache ich den kleinen Schritt nach rechts, nehme ich den Ball mit der Rückhand oder der Vorhand, greife ich an oder verlasse ich mich auf mein Blockspiel? Alles Fragen, die in Millisekunden beantwortet werden müssen.
Der Mensch ist aber nicht immer gleichmäßig entscheidungsfreudig. Es gibt Tage, da läuft so etwas nur sehr schwerfällig. Und an solchen Tagen tut sich jeder Tischtennisspieler schwer.
Ich finde auch, dass der Tischtennissport die Fähigkeit der extrem schnellen Anpassung erfordert. Die Gegner müssen, wie in einer Art Highspeed-Schach, gelesen und interpretiert werden. Das birgt das große Potential gelegentlich die falschen Entscheidungen zu treffen. Ruckzuck liegt man mit 3-4 Punkten hinten, obwohl es auch genau anders herum hätte laufen können.
Zudem ist jeder gespielte Schlag einzigartig. Klar, es wiederholen sich Muster. Dennoch wird der Ball nie 100%-ig auf die gleiche Stelle, mit der gleichen Rotation und der gleichen Geschwindigkeit gespielt. Die Routine liegt also darin, sich mit jedem Schlag anzupassen und zu versuchen, die gelernte Technik auf die neue Situation anzuwenden.
1- Selbsterfüllende Prophezeihungen durch positives Denken entgegnen
Jeder hat mal einen schlechten Tag. An solchen Tagen ist das Glas immer halbleer. Selbst Führungen geben kaum Selbstbewusstsein. Ein Netz oder Kantenball bringt einen selbst aus der Fassung. Die Konzentration ist schlecht. Und irgendwie ergibt man sich seinem Schicksal.
In meiner Zeit als Jugendtrainer habe ich dieses Phänomen oft beobachtet. Zwar gab es vom spielerischen Aspekt, also von der Technik, der Fehlerquote an sich und den Bewegungsabläufen während der Ballwechsel keinen Unterschied zu anderen Tagen, jedoch ließen einige Spieler sehr schnell den Kopf hängen.
Geholfen hat das aber nur dem Gegner, der dann mit breiter Brust an die Platte ging und das Spiel knapp gewinnen konnte.
Von da an versuchte ich, wenn es auf dieses Schema heraus lief, nur noch positive Aspekte anzusprechen und ein positives Denken bei den Jugendlichen, auch an schlechten Tagen, zu implementieren.
Diejenigen, die das Annahmen haben natürlich nicht jedes Spiel gewonnen. Aber die Unterschiede waren erstaunlich. Denn ohne Kampf und viel Gezitter konnten die Gegner gegen einen positiv eingestellten Schützling von mir kaum gewinnen.
Mir geht es auch manchmal so. Deshalb sollte jeder von uns, wenn wir mal in einer solchen Situation sind, anfangen positiv zu Denken. Am besten fängt das an mit einem Lob für die eigene Leistung. Selbst wenn es nur ein „Ich habe mich in die Tischtennishalle geschleppt und bin da“- Lob ist, macht es vieles besser.
In dem Zusammenhang ist das Implementieren von Ankern – d.h.: aktivieren von Fähigkeiten, die ich in einer vergangenen Situation schon einmal richtig gut hinbekommen habe – eine gute Möglichkeit, sich auch in einer schwierigen Situation wieder zu stabilisieren
2 – Das richtige Material finden und damit eingespielt sein
Wie oft sehe ich Tischtennisspieler, die sich direkt vor einem Punktspiel einen neuen Belag oder gar einen neuen Tischtennisschläger zulegen.
Die negativen Erfahrungen aus dem vergangenem Spiel können ja nur am falschen Material gelegen haben. Richtig? 😉
Leider ist das Spielen mit komplett neuen Belägen und Hölzern nicht nur ein Roulette, ob das Material überhaupt zu einem passt, sondern man kann gar nicht auf das Spielgerät komplett eingespielt sein.
Das führt wiederrum zu unerwarteten Schlägen und leichten Fehlern im Spiel. Bei manchen gelingt es häufig, dass mit dem neuen Material gut gespielt wird. Die Akteure sind dann auch einfach gut drauf und mit einem sehr positiven, euphorischem Gemütszustand behaftet. Mit dem bisherigen Material und so einer Einstellung würde es aber noch besser laufen 😉
Ich kenne den Testwahnsinn oder Testeritis nur zu gut. Dennoch, bei all dem Tischtennismaterial, was ich teste, steht mein Setup für die Saison spätestens im Juni/Juli. Dadurch bleibt genügend Zeit, um die Feinheiten des eigenen Schlägers kennen zu lernen. Damit meine ich übrigens nicht einen Belagwechsel auf die gleichen Beläge direkt vor der Saison.
Ich verspreche euch, dass ihr in engen Situationen mit einem gut eingestellten Setup mehr Sicherheit haben werdet. Natürlich gibt es keine Garantie für einen Sieg. Aber zumindest wird die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht.
3 – Rituale und vertraute Abläufe entwickeln
Normalerweise entwickelt jeder Tischtennisspieler im Laufe der Zeit bewährte Abläufe und Rituale, die vor den Wettkämpfen abgespult werden.
Diese festen Gewohnheiten geben einem ein Gefühl von Sicherheit.
Ich kann mich noch an eines meiner ersten Herrenspiele erinnern. Damals, als 15-jähriger Junge, war ich total nervös. Zu allem Übel mussten wir auch noch auswärts ran.
In der fremden Halle auf den fremden Platten konnte ich mich nur recht kurz einspielen. Dann ging es auch schon los mit dem Doppel. Bei den Herren zu spielen war für mich komplett neu und ich konnte mich nur schwer auf die neue Situation einstellen.
Die älteren Kontrahenten spulten hingegen nicht nur an der Platte, sondern auch zwischen den Ballwechseln und Spielen, ihre gewohnten Abläufe ab.
Der eine ging pünktlich alle 6 Punkte an sein Handtuch. Das kannte ich aus meiner Jugendzeit nur von den höherklassigen Turnieren.
Viel interessanter ist Rückblickend die Beobachtung, wie viel Zeit sich manche Spieler gelassen haben, besonders wenn ich 2-3 Punkte in Folge machte.
Es wurde die Hand an der Platte abgewischt, eine kleine Runde gedreht und der gewohnte Rythmus durchgezogen, während ich schon längst zum Aufschlagen bereit war. Das brachte mich schon gehörig aus dem Konzept.
Abseits des Tisches saß ein Mitspieler direkt vor seinem Spiel da, hatte die Augen geschlossen und versuchte sich zu konzentrieren. Das machte er immer an diesem Punkt, bevor er zum Einzel ran musste.
Ich könnte noch weitere Rituale aufzählen. Doch ich denke ihr habt mein Argument verstanden. Um sich voll auf das Tischtennis einzulassen, sind gewohnte Abläufe wichtig. Denn so signalisiert man auch seinem Körper, was dieser in den nächsten Minuten zu tun hat. Und das ist, sein bestes Tischtennis zu spielen.
4 – Effektiv trainieren
Training und mentale Stärke hängen eng zusammen. Denn nur wer wirklich gut und effektiv traininert, kann sein volles Leistungspotential abrufen.
Niemand kann erwarten, dass in engen Spielsituation plötzlich Traumschläge aller Art möglich sind. Gerade bei engen Spielständen setzt sich zumeist der bessere Spieler durch. Selten enscheiden einfach nur Glück oder leichte Fehler zugunsten des Underdogs.
Doch nicht nur das Trainieren an sich oder viel zu trainieren reicht aus. Ich kenne viele Tischtennisspieler, die 3-4mal pro Woche in der Halle stehen. Leider wird aber zu selten ein effektives Tischtennistraining durchgezogen.
Es wird halt mit seinen Mannschaftskollegen einfach auf Sätze gespielt. Eine große mentale Stärke wird dabei nicht verlangt, da zum einen kein Druck besteht zu gewinnen (Ausnahme sind nur die Vereinsmeisterschaften 😉 ), zum anderen kennt man sich bereits in- und auswendig. Die immer gleichen Schlagabfolgen helfen einem auch nicht, sich zu verbessern.
Wer allerdings im Training immer neue Reize setzt oder bekannte, wichtige Grundschläge vertieft, wird nicht nur generell besser, sondern eben auch gefestigter für derartige Schlagabfolgen im Spiel.
Durch viel Training kann eine große mentale Stärke entwickeln werden. Wer effektiv trainiert, wird diese entwickeln.
5 – Mentale Blockaden lösen
Vor einiger Zeit hat mich der Andreas Latsch, selbst Tischtennisspieler und Leser dieses Blogs, auf sein Betätigungsfeld aufmerksam gemacht. Zusammen mit seinem Geschäftspartner entwickelt er auf mycoachingbox.com Audio-, Video- und E-Book-Coachings, welche in den Bereichen Business, Sport, Gesundheit und persönlicher Entwicklung weiterhelfen sollen.
Speziell für den Tischtennissport wurde die Coaching-Hypnose „Tischtennis-Wettkampfstärke“ entwickelt. Und ich hatte auch die Chance das Produkt zu testen.
Zunächst war ich natürlich sehr skeptisch. Ich habe noch nie in meinem Leben mich hypnotisieren lassen und hatte auch keine Erfahrungen mit einer Audio-Hypnose. Das vorweg.
Aber ich habe mich darauf eingelassen, mich auf die Couch gelegt und mir die 30 Minuten Datei angehört.
Mein erster Eindruck ist, dass sowas überraschend entspannend ist. Wann nehme ich mir am Tag mal 30 Minuten Zeit und lasse die Seele baumeln? Richtig. Fast nie.
Inhaltlich geht es darum, sich vom Druck frei zu machen und sein volles Potential in den engen, entscheidenen Spielsituationen abzurufen.
Direkt nach der Beendigung der Aufnahme habe ich keine Veränderungen bemerkt. Ich war halt sehr entspannt.
In den kommenden Tagen ist mir aber aufgefallen, obwohl ich das mit der Hypnose schon wieder verdrängt hatte, dass ich doch deutlich leistungsfähiger bei der Arbeit war. Ich konnte wirklich besser abschalten und mich auf meine Aufgaben konzentrieren.
Direkt für Tischtennis hat mir die Hypnose leider weniger geholfen, da ich das Ganze in der wettkampffreien Zeit erprobt habe. Doch ich werde mir die Coaching Hypnose vor der Saison nochmal anhören, weil es doch etwas gebracht hat und ein paar Zweifel und Blockaden im Bezug auf das eigene Leistungsvermögen gelöst wurden.
Außerdem habe ich noch den Hinweis erhalten, nachdem ich meine Eindrücke dem Andreas mitteilte, dass die Wirkung durch mehrmaliges Anhören noch verstärkt wird. Denn von heute auf morgen kann eine tief sitzende Blockade nicht verschwinden.
Wer also ein chronisches Problem hat, an der Platte oder in anderen Bereichen, sein Leistungspotential im richtigen Moment abzurufen, kann von so einer Hypnose nur profitieren.
Fazit und noch ein Gedanke
Tischtennis soll Spaß machen. Natürlich will jeder Sportler immer gewinnen. Aber das geht nicht. Denn genauso, wie ihr einen Sieg akzeptieren könnt und euch den Triumph gönnt, so müsst ihr auch Niederlagen einstecken können.
Um aber unnötige Niederlagen zu vermeiden, beherzigt einfach einen meiner oben genannten Tipps. Ich denke für jeden ist eine Verbesserungsmöglichkeit vorhanden 😉
Und noch ein kurzes Wort zu denjenigen, die eine gute mentale Stärke durch myTischtennis bescheinigt bekommen, weil viele enge Sätze und 5-Satz Matches gewonnen werden.
Die meisten Spieler, die dabei gut abschneiden, kommen oft gegen viel schwächere Gegner in den Entscheidungssatz, wobei das Spiel schon nach drei Sätzen beendet und nach Hause geholt werden sollte.
Wiederrum andere kommen oftmals gegen viel stärkere Gegner in den Fünften und müssen sich dort, trotz eines großen Kampfes und einer bärenstarken Mentalität, geschlagen geben.
Also ihr Mentalbarometerfetischisten. Gewinnt doch auch mal 3:0. Aber nur, wenn ihr das auch könnt 😀